Kaminabend = Management-Sprechstunde?
Letzten Monat hatte ich wieder einmal einen Kaminabend. Ich freue mich jedesmal darauf und bin gespannt, welche Themen adressiert werden und in welche Richtungen sich die Diskussionen entwickeln. Es gibt immer wieder überraschende Entwicklungen und Erkenntnisse… auch für mich.
Woher kommt eigentlich der Begriff Kaminabend oder, wie es richtigerweise heißen sollte, Kamingespräch? In der Wikipedia wird dies als „informelles Treffen im kleinen Kreis zu einem spezifischen Thema“ definiert. Weiter heißt es „die Gestaltung soll eine persönliche Atmosphäre gewährleisten und einen fruchtbaren Dialog ermöglichen“. In der Historie wird dabei übrigens auf 30 Radioansprachen von Franklin D. Roosevelt zwischen 1933 und 1944 verwiesen, in denen er in „einfacher Sprache“ wichtige Themen wie die Bankenkrise oder die Kriegserklärung an Japan erklärte. Das trifft insgesamt mein Verständnis eines Kaminabends sehr gut: informell, kleine Runde, fruchtbarer Dialog – und als Führungsinstrument im Sinne einer Diskussion, die die hierarchischen Positionen einmal beiseite lässt und mich im Dialog weniger als Führungskraft denn vielmehr als Mensch agieren und kennenlernen lässt.
Vor Jahren allerdings hatte ich einmal einen Kaminabend, an dem ich fast eine ganze Stunde nichts selber „sagen musste“ – was ja insofern überrascht, als dass ein Kaminabend quasi ein eher seltenes Angebot zum informellen Austausch mit einem Mitglied der (oberen) Führungsebene ist. Das Ziel ist also eher als Mensch in und neben der Rolle der Führungskraft für intensive Fragen und Diskussionen den Mitarbeitern im kleinen Kreis zur Verfügung zu stehen (deswegen bei mir auch die Beschränkung auf maximal zehn Teilnehmer). Deshalb erwartet man intuitiv wohl eher eine Art Ping-Pong in der Diskussion, bei der die Führungskraft auf der einen Seite der Tischtennisplatte steht (um im Bild zu bleiben) und die restlichen Teilnehmer auf der anderen Seite und die Wortwechsel zwischen diesen beiden Gesprächsparteien hin und her gehen. Aber obwohl die Teilnehmer in dem oben angesprochenen Beispiel allesamt Kollegen waren, die sich schon seit Jahren, teilweise mehr als zehn Jahren, kannten und in denselbem Geschäftsbereich, aber in verschiedenen Teilbereichen tätig waren, entspann sich eine lebhafte Unterhaltung zwischen ihnen, die meine Anwesenheit eigentlich gar nicht gebraucht hätte: weil sie sich anscheinend nie oder längere Zeit nicht mehr gegenseitig über ihre Arbeit unterhalten hatten, ergab sich eine intensive Diskussion über gemeinsame Entwicklungsmethoden, benutzte Tools, verwendete Shortcuts und ähnliches. Jetzt könnte man denken, dass mich dieser Kaminabend also enttäuscht hätte – aber das stimmt nicht. Der Kaminabend ist für mich mehr als (Mehrweg-) Kommunikations- denn als (Einweg-) Informationsveranstaltung wichtig. Es geht mir nicht darum, bestimmte Botschaften weiterzugeben, ich habe auch keine Punkte, die ich in diesem Sinne mit in den Kaminabend nehme (nach dem Motto „heute muss ich die Information xyz den Mitarbeitern mitgeben und begreiflich machen“). Der Kaminabend soll dem Austausch der (anwesenden) Kollegen dienen, ihnen Antworten geben auf Fragen, die sie haben, oder Anregungen für ihre eigene Aufgabe. Und das wird auch erreicht, wenn dieses Forum zum Austausch der Mitarbeiter untereinander genutzt wird und nicht nur für eine Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Manager.
Bei einem anderen Kaminabend nahm ich aus der Diskussion mit einem neu zu uns gekommenen Kollegen noch eine andere Idee mit. Eine Idee, die zugegebenermaßen in einer der Worldcafe Diskussionen auf der Premiere des Films AugenhöheWege (siehe auch
Blogpost AugenhöheWege – die Premiere) mehr oder weniger zerrissen wurde. So berichtete der bei uns neu gestartete Kollege, dass in seinem alten Unternehmen „Homeoffice“ eingeführt worden war und – zur Kontrollmöglichkeit für die Vorgesetzten – in der Kommunikation untereinander bewusst auf Video umgestiegen wurde, also beispielsweise Skype oder FaceTime. Warum? Damit die Manager sehen konnten, dass bzw. wo die Mitarbeiter arbeiteten (und beispielsweise nicht im Bett liegen oder Fußball spielen). Die Ansage war also eher, dass man direkt oder zumindest kurzfristig an das „Bildtelefon“ gehen sollte, damit eine solche Überprüfung möglich war. Warum ich das als Idee mitnahm? Nun, um eines vorweg zu schicken: diese Art der Überwachung finde ich eigentlich weder angemessen noch akzeptabel. Aber andererseits, wenn es (auf eine Übergangszeit beschränkt!) dem Vorgesetzten hilft, das Thema Homeoffice zu akzeptieren und er lernt, dass der Mitarbeiter auch wirklich arbeitet und nicht den ganzen Tag im Homeoffice faulenzt, dann ist das als zwischenzeitliche Lösung aus meiner Sicht eine Möglichkeit dem Unternehmen, dem Bereich, dem betroffenen Vorgesetztem einen ersten Schritt auf dem Weg zur Arbeit 4.0 zu erleichtern – in dem er das Vertrauen in seinen Mitarbeiter auf diese Weise vielleicht leichter aufbauen kann. Das ist noch weit vom Zielzustand entfernt, in dem die Führungskraft dem Mitarbeiter wirklich vertraut und dieser – unabhängig von Ort und Zeit – „nur noch“ seine Aufgaben erledigen muss (ohne Kontrolle, wo und wann er das tut). Aber als Mittel zur Entwöhnung der Führungskraft von der 9-to-5-Anwesenheit ihrer Mitarbeiter mag das helfen.
Zur Organisation und zum Ablauf eines Kaminabends habe ich übrigens schon einmal ausführlich in dem Blogpost Direkte Kommunikation (auch) in Zeiten der Virtualität – der Kaminabend berichtet.