Demokratische Unternehmen sind nicht anarchistisch!

Demokratischen Unternehmen gehört die Zukunft, sie sind das erstrebenswerte Modell für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. So lautet der – zugegebenermaßen wohl vereinfachte – Konsens zur Organisationsstruktur der Unternehmen für zukünftige Herausforderungen und Aufgaben.

Aber wie genau setze ich Demokratie im Unternehmen um, was gehört dazu und was nicht? Bei manch’ eher oberflächlichem Beitrag oder Blogpost zu diesem Thema verschwindet nach meiner Wahrnehmung, dass Demokratie nicht mit „jeder macht, was er will und organisiert sich wie er will – das wird sich schon alles von alleine zum Großen & Ganzen zusammensetzen und zum Wohle des Unternehmens & damit der Mitarbeiter & jedem einzelnen von uns ergeben“ gleichzusetzen ist.

Schön auf den Punkt bringt das Heiko Fischer, Chief Resourceful Human bei Resourceful Humans in Berlin, in einem Vortrag von Ende 2013 im Wiesbaden, der auf YouTube zu finden ist. Dort sagt er sinngemäß, „Wenn alle CEO’s weg sind und jeder sein eigener Manager ist, dann haben wir Freiheit – NEIN, dann haben wir Anarchie!“. So weit, schon einmal so gut, aber der entscheidende Satz kommt dann: „Eine Demokratie hat durchaus auch klare Regeln und klare Prozesse, wie die Dinge laufen, und hat auch klare Führungspositionen, die aber eben anders validiert sind“.

Demokratie ist…

In Wikipedia heißt es „Demokratie … bezeichnet… politische Systeme, in denen Macht und Regierung vom Volk ausgehen, indem dieses – entweder unmittelbar oder durch Auswahl entscheidungstragender Repräsentanten – an allen Entscheidungen, die die Allgemeinheit verbindlich betreffen, beteiligt ist“. Und weiter: „In demokratischen Staaten und politischen Systemen geht die Regierung durch politischen Wahlen aus dem Volk hervor … Typische Merkmale sind freie Wahlen, das Mehrheitsprinzip, die Akzeptanz einer politischen Opposition…“.

… für Unternehmen heißt das…

Das lässt sich analog auch auf Unternehmen übertragen: entscheidungstragende Repräsentanten (Vorstand bis zu Team- oder Gruppenleitern können als solche Entscheidungsträger betrachtet werden) werden durch das Volk (alle zum Unternehmen gehörenden Mitarbeiter) gewählt.

In der Forschung wird das Thema dabei noch weiter gefasst und in einem Beitrag von Professor Dr. Isabell M. Welpe in XING zwischen folgenden drei Arten unterschieden:

  • Beteiligung von Mitarbeitern an (Management-) Entscheidungen
  • Finanzielle Beteiligung von Mitarbeitern
  • Soziale und psychologische Beteiligung


Demokratie im Unternehmen
Demokratie im Unternehmen

Die drei Formen organisationaler Demokratie tragen zu einer gesteigerten Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit der Organisation bei, indem sie zu besseren Entscheidungen (z. B. durch verbesserte Wissensnutzung der Mitarbeiter, eine höhere Motivation, stärkeres unternehmerisches Denken), höherer Identifikation von Wissensarbeitern und einer Stärkung der Innovations- und Kooperationsfähigkeit (z. B. durch vermehrten Wissensaustausch und höhere Kreativität) führen.

So geht der Aufsatz von Frau Professor Welpe noch weiter und fokussiert die Sinnhaftigkeit von Demokratie auf eben diese Bereiche, in denen zur Lösungsfindung Aspekte wie verteiltes Wissen und Kreativität einerseits notwendig und andererseits geringe Kommunikationskosten anzutreffen sind.

Als wichtig und zielführend insbesondere auf die Umsetzung der Demokratie auch in Abgrenzung zur Anarchie interpretiere ich auch den folgenden Ansatz im zitierten Paper, wenn es um die Differenzierung zwischen Organisationsstrukturem und Organisationsbeziehungen geht: „Entgegen der Meinung, eine steile Hierarchie sei das Gegenteil von Demokratie im Unternehmen, fehlt oder verringert sich in einer demokratischen Organisation nicht zwingend die Hierarchie, bzw. deren Grad. Der Grad der Demokratie in einem Unternehmen, der Grad der Hierarchie und die Verortung verschiedener Unternehmenstypen sind nach Ansicht der Autoren voneinander unabhängige Dimensionen“. Womit wir wieder bei der Aussage vom Anfang sind: Demokratie im Unternehmen ist von Anarchie zu unterschieden und hat klare Führungspositionen, die anders validiert sind als in herkömmlichen Untermehmen.

Status quo und Fazit

Die Einführung beziehungsweise Umsetzung von Demokratie in Unternehmen ist gestartet und läuft – immer präsenter werden die Frontrunner in verschiedensten Medien hervorgehoben, interviewt und präsentiert. Die Augenhöhe-Bewegung mit ihren Filmen (siehe auch meine Blogposts „Filmtip: Augenhöhe (zum Thema die neue Arbeitswelt“ und „Premiere am 4.3.16: Fortsetzung zum Film Augenhöhe“) ist dabei ganz vorne zu sehen, aber auch Printmedien wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung im August 2014 berichten über Unternehmen, die bereits wegweisende Schritte organisationaler Demokratisierung hinter sich oder diese angekündigt haben, wie z. B. Semco (Glasproduktion), Trumpf (Maschinenbau), HP (IT), Ebay (Online-Marktplatz) oder Haufe-Umantis (Software) in „Wähl dir deinen Chef“.

Ein oft zitierter Satz aus dem Personalmanagement lautet „We join companies, but we leave managers“, wie ihn auch Heiko Fischer in dem zitierten Video ganz am Ende sagt. Das Gute an den demokratischen Unternehmen: mit dieser Organisationsform bekommen die Mitarbeiter (zum Wohle des Unternehmens!) ein Mittel an die Hand, das direkt zu beeinflußen (hier gemeint „… but we leave Managers“) und bei Bedarf aktiv zu ändern: so kann man ihnen dann nur zurufen „Dann wähle doch lieber den Manager ab als wegen ihm das Unternehmen zu verlassen“. Wie immer gilt es in der Demokratie von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen – und danach für sich selber zu entscheiden „Love it, change it or leave it“. Die Change-Chance in demokratischen Unternehmen sollte steigen, die Kündigungen sinken…

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