Social Media – nur Einführung einer Software?


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Die Einführung von Social Media in Unternehmen ist viel mehr als eine Software-Einführung oder die Verfügbarkeit einer neuen Technologie für die Mitarbeiter – vielmehr gehört eine Änderung der Kultur dazu, der Kommunikationskultur im Unternehmen, oftmals eine Änderung der ganzen Unternehmenskultur. Das wird auch in meinem Blogpost über „Informationsverteilung via Unternehmensblogs“ so als Notwendigkeit benannt. Eine passendes Zitat zur Bedeutung und Gewichtung dieser Aussage von der Gartner Group aus dem September 2012 gab Karl Harriau, Customer Success Manager bei Yammer, auf dem BVL-Kongress in seinem Vortrag an: „Social Enterprise is implemented through 80% Organizational Culture and 20% through Technology“.

Wie aber verändere ich – als Manager – die Kultur meines Unternehmens oder zumindest meines Unternehmensbereichs?

Veränderung ist selten willkommen

Ist diese Frage oder dieses Ziel überhaupt richtig formuliert – kann ein Einzelner, und habe er als Vorstandsvorsitzender oder Manager noch so viel Einfluss, ein Unternehmen und seine Kultur (vielleicht sogar noch ‚von heute auf morgen‘) verändern?

Ich war und bin in verschiedenen Managementpositionen tätig (gewesen), habe schon einige Veränderungsprogramme erlebt, begleitet oder selber umgesetzt und könnte ob meiner Position wahrscheinlich einen Teil der Veränderung (in der Theorie) quasi „anweisen“ – aber erreicht man so einen Wechsel? Nein, denn wie heißt es so schön: „Druck erzeugt Gegendruck“. Sie erinnern sich sicher auch an Sprüche oder Weisheiten, die gegebenenfalls auch zu nicht passenden Gelegenheiten als Begründung hervorgeholt werden, wie „Never change a running system (oder: team)“. Bloß nichts Bekanntes, Funktionierendes verändern – Unsicherheit verschreckt Menschen noch mehr als die Aussicht auf eine Verbesserung, es sei denn ihre Leidensfähigkeit ist schon überstrapaziert.

Innovation bringt nun aber einmal per Definition Veränderung und damit Unruhe und Risiko in ein stabiles System, in bekannte und oft ja auch durchaus funktionierende Prozesse und Abläufe.

Was klar ist – Organisationen alleine verändern sich nicht per se. Es sind die Menschen, es ist die Gesamtheit der Mitarbeiter eines Unternehmens, die das Unternehmen und seine Kultur ausmachen. Diese sollen sich, diese müssen sich verändern zu Gunsten einer neuen Kultur, einer Verbesserung, einer Innovation. Also braucht Veränderung Menschen, die Willens sind, sich zu verändern oder sich zumindest auf eine Veränderung einzulassen und diese damit auch in Summe vorantreiben.

Horst Ellermann, langjähriger Chefredakteur der deutschen Ausgabe des CIO-Magazins, schrieb in seinem Editorial zur Ausgabe 4/2009 „Mitarbeiter wollen Veränderung“: „Die meisten Mitarbeiter wissen doch längst, was passieren muss, um ihre Firma lebensfähig zu halten. Wenn sie veränderungsresistent reagieren, dann nur, weil sie persönliche Nachteile befürchten…. Menschen wollen sich verändern. Sie wollen nur nicht verändert werden“.

Besonderheiten bei Einführung von Social Media Tools

Insbesondere Social Media ist mehr als die Einführung einer technischen Software oder nur eines neuen Kommunikationsmediums. Das fängt schon bei einfachen Blogs an – konsequent eingeführt, eigentlich nur „richtig verwendet“, erlauben Mitarbeitern Kommentare und Bewertungen zu Ausführungen und Äußerungen ihrer Kollegen öffentlich abzugeben. Bei Veröffentlichungen von Führungskräften bedeutet das natürlich insbesondere, dass diese sich der öffentlichen Kritik ihrer (eigenen) Mitarbeiter stellen und sich damit angreif- und verwundbar machen. Denn eine der Eigenschaften der für Social Media neuen Kultur ist eben auch, unliebsame Kommentare und Äußerungen nicht löschen und „verschwinden“ zu lassen, sondern sich diesen zu stellen und entsprechend zu argumentieren.

Andererseits müssen die Mitarbeiter auch den Mut aufbringen und auf offenen, ehrlichen und mutigen Umgang ihres Managements – insbesondere auch ihrer eigenen Vorgesetzten – vertrauen. Die Kommunikation mit Social Media funktioniert nur, wenn beide Seiten mitspielen wollen und dürfen – für eine Führungskraft haben Social Media keinen wesentlichen Mehrwert als nur ein weiterer Kommunikationskanal zu sein, wenn die Mitarbeiter nicht auch aktiv kommentieren und bewerten (dürfen).

Für Fachkräfte und Know-how-Träger kommt dann noch hinzu, dass sie ihren wesentlichen Mehrwert öffentlich(er) zur Verfügung stellen und auch nachlesbar und damit überprüfbar machen. Der von Francis Bacon geprägten Formel „Wissen ist Macht“ wird damit der Garaus gemacht: wenn durch die öffentliche Zurverfügungstellung von Wissen der Vorsprung des Wissensträgers verloren geht, dann haben Machtstrukturen und Mechanismen von früher ausgedient.

In seinem Artikel „Auf dem Weg zum Social Business“ in der Springer-Zeitschrift Wirtschaftsinformatik und Management, Ausgabe 06/2012, formuliert Peter Schütt von der IBM Deutschland diesen Aspekt als „Ganze Karrieren wurden darauf aufgebaut, kleine Wissensvorsprünge vor anderen zu halten und zu konservieren“. Er bemängelt weiter, dass es heutigen Prozessen an Geschwindigkeit und Qualität mangelt, da viel zu oft der „korrekte Zuständige“ gesucht und auf sein Feedback gewartet wird. Besser sollte das durch Netzwerk-mäßige Suche nach Experten beschleunigt werden – statt in hierarchischer Zuständigkeit und Informationsverteilung zu verharren.

Das aber bedeutet eben genau jenen erwähnten Kontroll- und Machtverlust durch verloren gehendes „Herrschaftswissen“ – eine Entwicklung, die gerade erfahrene Fach- und Führungskräfte akzeptierten müssen.

Social Media Collaboration
Social Media Collaboration

Lösungsbaustein: Einbindung der Mitarbeiter in die Entwicklung

Was macht nun den Wechsel von der alten in die neue Arbeitswelt so schwer, selbst wenn ich bereit bin mein Wissen zu teilen? Viele der Führungskräfte, die aufgrund ihrer analytischen Talente und ihrer betriebs- oder naturwissenschaftlichen Ausbildung, Erfolg haben und hatten und in ihre jetzigen Positionen gekommen sind, versuchen nach bewährtem (Verhaltens-) Muster zu agieren. Sie argumentieren über Zahlen, Fakten und versuchen sich und ihre Mitarbeiter über die so konstruierten Zukunftsbilder zu motivieren. Tatsächlich müssen ja aber zum erfolgreichen Wandel mehr als nur die Struktur, die Organisation und die Tools der Unternehmen und Abteilungen geändert werden – ein vorne bereits beschriebener wesentlicher Faktor ist die Kultur und diese wird nicht mit einer Dokumentation und der Bekanntgabe von Regeln eingeführt beziehungsweise geändert. Es gilt sicherzustellen, dass die Mitarbeiter des Unternehmens diese neue Kultur und ihre Grundsätze auch leben. Nach dem Bestsellerautor und Leadershipexperten John Kotter (mit seinem Coautor Dan Cohen) muss die „Definition der Kultur“ mit einer Einbindung der Mitarbeiter über ihre Emotionen erfolgen, damit der Wandel voran geht und erfolgreich ist. Viel zu oft, so führen sie aus, scheitern Initiativen daran, dass die Führungskräfte es versäumen, die Änderung vorzuleben, die Mitarbeiter emotional damit anzusprechen und zur eigenen Aktion zu motivieren.

Lösungsbaustein: Vorleben

Zuallererst heißt Kulturwandel insbesondere, dass sich das Management und Führungspersonal Regeln gibt, diese einhält und beachtet, damit im Unternehmen ein Umfeld entsteht, in dem die Mitarbeiter an den Wandel glauben und ihn mit ihrer Mitarbeit und ihren Aktivitäten unterstützen. Dabei ist es besonders wichtig, dass ein Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholt wird – es gab und gibt immer wieder Unternehmen, die die Werte aufgeschrieben, verkündet und verteilt oder ausgehängt haben, in denen sich dann aber keiner daran gehalten hat. Und dies begann oft mit dem Management selber, welches die Werte nicht uneingeschränkt reflektiert und vorgelebt hat. Es gilt also – gerade für die verantwortlichen Führungskräfte – als Vorbild voranzugehen und sich an die selbst definierten Werte und Regeln zu halten.

Denn, wie heißt es so schön in einem Artikel vom Harvard Business Manager Magazin zu Change Management: „Old dogs will learn new tricks when the lead dog shows them off“.

Lösungsbaustein: Geduld und quick wins

Dieses kontinuierliche und konsistente Vorleben ist der Garant für eine Veränderung. Ausgehend von einer Verbesserung und einer positiven Innovation wird hiermit langsam aber sicher der Wandel erreicht – durch kontinuierliche Wiederholung entsteht Vertrauen in die neuen Werte, die neue Kommunikationskultur und es werden die Verbesserungen sicht- und spürbar. Das ist wie eine Kettenreaktion, erst langsam immer mehr und wenn dann die kritische Masse erreicht ist, kann es schnell gehen. Bis zu diesem Zeitpunkt, dem Erreichen der kritischen Masse, braucht es aber Geduld und dies setzt die entsprechende Überzeugung der Vorbilder voraus.

Dazu gehört auch das Thema Rekruiting – eine relativ einfache, aber langfristige Möglichkeit Leute mit den gleichen Werten und Schwerpunkten für eine passende Unternehmenskultur zu suchen. Diese Bewerber, die die passenden Werte haben und eine Veränderung in diesem Sinne vorantreiben würden, stelle ich dann für meine Abteilung ein. Dies ist natürlich nur auf sehr langfristige Sicht umsetzbar und idealerweise in kleinen Unternehmen – aber anscheinend prüft Google-Gründer Larry Page auch heute noch alle am Vortag mit positivem Ausgang von seinen Kollegen interviewten Bewerber auf Schriftbasis selber am nächsten Tag (standardmäßig Donnerstag vormittag), um sein Verständnis von zu Google passenden Mitarbeitern sicherzustellen und umzusetzen, siehe auch den folgenden Bericht von Mitte Juni 2013 des GoogleWatchBlog.

Gleichzeitig gilt – wie immer in Change Management Projekten -, dass schnell erste positive Änderungen sichtbar sein müssen – ansonsten ist das Risiko hoch, die Unterstützung der Mitarbeiter zu verlieren.

Zu guter Letzt

Und dennoch: es ist immer einen Versuch wert, aber nicht notwendigerweise überall erfolgreich, zu verändern oder innovieren. Im Lufthansa Exclusive Magazin, Ausgabe 12/09, äußert sich der Musikproduzent, Journalist und Autor Tim Renner auf die Frage „Sie haben also versucht, diese riesige Plattenfirma Universal von innen heraus zu reformieren?“ mit der Antwort „… und bin gescheitert. Man kann Systeme ändern, aber immer nur zu einem bestimmten Grad.“



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