Reichen Managern zukünftig rein virtuelle Meetings?

Sind persönliche Meetings für Standort-übergreifende oder virtuelle Organisationen (in diesem Artikel auch immer sinngemäß gemeint: Standort-übergreifende oder virtuelle Teams) überflüssig – reichen virtuelle Meetings, Mail und Chats ergänzt um Telefon- oder Videogespräche und -konferenzen zur Führung von und Kommunikation in virtuellen Organisationen?


Reichen virtuelle Meetings?

Aus meiner Sicht und Erfahrung ein ganz klares „Nein“. Mittlerweile ist es Standard, dass Erfahrungsberichte vom Aufsetzen einer virtuellen Organisation und auch Prozessbeschreibungen hierzu zumindest ein persönliches Treffen, idealerweise einen Workshop, am Anfang der Zusammenarbeit beziehungsweise zum Aufbau des Teams enthalten. Ziel ist es, durch das physische Kennenlernen der beteiligten Personen sicherzustellen, dass eine Beziehung entstehen und Vertrauen aufgebaut werden kann.

Ich bin jedoch überzeugt davon, dass ein persönliches „Kickoff-Treffen“ langfristig trotz aller Möglichkeiten und Vorteile virtueller Kommunikation nicht ausreichen wird. Es bedarf – auch später – regelmäßig als Ergänzung zur virtuellen Zusammenarbeit in bestimmten Abständen eines persönlichen Meetings. Wie in jeder menschlichen Beziehung braucht es auch im Arbeitsleben in bestimmten Abständen die physische Begegnung, um das Vertrauen aufrecht zu erhalten oder zu erneuern, die Beziehung zu pflegen und weiterzuentwickeln. Selbst wenn in Videokonferenzen durch den visuellen Kontakt per Kamera & Bildschirm schon ein Vorteil entsteht und auch die non-verbale Reaktion des Gegenüber besser eingeschätzt werden kann, so besteht doch auch hier die Gefahr, dass noch ein Teil der non-verbalen Kommunikation verloren geht und dadurch Mißverständnisse entstehen.

Welche persönliche Treffen in welcher Frequenz sollte ein Manager also planen?

Betrachten wir eine einfache Ausgangssituation: Ich selber habe in verschiedenen Unternehmen gearbeitet, in denen ich in meiner Berichtslinie Abteilungsleiter hatte, die alle auf verschiedene Standorte verteilt waren (und diese Standorte auch verschieden von meinem eigenen Standort waren). Auch ich habe an Vorgesetzte berichtet, die an anderen Standorten als ich selber waren. Während die kurzfristige Kommunikation über Telefon oder Computer lief, so wurden standardmäßig in den meisten Unternehmen Meetings wie Leitkreise mit allen Abteilungsleitern regelmässig dort durchgeführt, wo der jeweilige Chef des Leitkreises saß, d.h. alle Mitarbeiter des Vorgesetzten fuhren zu Meetings / Leitkreisen zum Vorgesetzten und trafen sich regelmässig (i.d.R. einmal im Monat) dort. Was sind nun meine Erfahrungen aus diesem Vorgehen?

Zunächst erst einmal ist die Frequenz innerhalb Deutschlands mit einem persönlichen Treffen im Monat und kurzfristiger Kommunikation auf virtuellem oder telefonische Wege passend. Mißverständnisse, die teilweise erst in den persönlichen Treffen wirklich als solche identifiziert wurden, können ebenso wie Mißstimmungen in ausreichend zeitlichem Abstand bei den physischen Treffen behoben werden. Aufgrund der engen Zusammenarbeit der im jeweiligen Leitkreis (im Beispiel: innerhalb eines Landes) arbeitenden Abteilungen macht auch ein größerer zeitlicher Abstand keinen Sinn. In Summe ist dabei die Intensität der Zusammenarbeit – im Sinne gemeinsamer Aufgaben, Abhängigkeiten und Synergien im Tagesgeschäft – für die Frequenz der physischen Treffen ausschlaggebend. Je weniger Synergien und Abhängigkeiten, desto größer kann der Abstand der persönlichen Treffen gewählt werden.

Was gibt es noch zu beachten?

Zunächst einmal will ich jetzt den Betrachtungswinkel verbreitern. Auch wenn es sich um – bleiben wir im Beispiel bei mir und den Abteilungsleitern in meiner Berichtslinie – Meetings eines Leitkreises handelt, so ist es aufgrund der „Mundpropaganda“ natürlich für das ganze Team und jeden Mitarbeiter bekannt, wenn „sein Abteilungsleiter“ zum Leitkreismeeting seines Chefs unterwegs ist. Dadurch entsteht durchaus schnell so etwas wie Legendenbildung, à la „der Leitkreis sitzt wieder in xy zusammen und wer weiß, was die da oben wieder entscheiden“. Insbesondere aufgrund der Nichtsichtbarkeit des Leitkreises für den einzelnen Mitarbeiter in diesem Fall entsteht schnell das Bild des dem Tagesgeschäfts entrückten Leitkreises, der geheime Strategien ausarbeitet, aber vom Tagesgeschäft (vulgo: mir als einzelnem Mitarbeiter) ja eigentlich gar keine Ahnung hat und „weit ab vom Schuss“ ist – wieviel an dieser Aussage tatsächlich wahr ist, sei einmal dahingestellt. Jedoch alleine aufgrund des Signals habe ich es in meinen Leitkreisen immer für richtig und wichtig gehalten – auch und gerade als Zeichen für die Mitarbeiter -, dass Präsenzmeetings des Leitkreises reihum bei jedem meiner Abteilungsleiter und damit an allen Standorten stattfinden. Ich selber will die Gegebenheiten meiner Abteilungsleiter – ihre tägliche Arbeitsumgebung – kennen, die Niederlassungen, ihre Mitarbeiter, ihre Stimmungen und erwarte mir dadurch für unsere Zusammenarbeit, aber auch die Zusammenarbeit der Abteilungsleiter untereinander, hierdurch mehr Verständnis und bessere Ergebnisse. Hinzukommt die Möglichkeit beim Mittagessen oder in der Kaffeeküche auch die Bedeutung / die Verbundenheit des Chefs und des ganzen Leitkreises mit dem jeweiligen Standort und Team zu zeigen.

Dieses gilt für mich übrigens auch international, selbst wenn die Abstände der regelmässigen Meetings in China, Indien oder Amerika beispielsweise nicht so häufig sein können und werden, wie wenn man die rein innerdeutschen Leitkreise organisiert. Aber insbesondere wenn ich bei meinen internationalen Kollegen bin, stelle ich – als „Headquarter-Verantwortlicher“ -, dem (siehe oben) die Ferne zum jeweiligen Land und seinem Geschäft leicht nachgesagt wird, immer wieder fest, wie wichtig hier eine regelmäßige Präsenz und ein persönlicher Austausch ist.


Takeaways: Meetings in virtuellen / verteilten Organisationen

  • Als Kickoff ist ein persönliches Meeting, idealerweise ein umfangreicherer Workshop notwendig
  • Abstimmungen sind regelmäßig in kurzen Abständen virtuell durchzuführen
  • Auch im Arbeitsleben braucht es in bestimmten Abständen die physische Begegnung, um das Vertrauen aufrecht zu erhalten oder zu erneuern, die Beziehung zu pflegen und weiterzuentwickeln
  • Je weniger Synergien und Abhängigkeiten voneinander, desto größer kann der Abstand der persönlichen Treffen gewählt werden.
  • Gute Erfahrungswerte in Organisationen sind monatliche Treffen bei enger Zusammenarbeit (z.B. innerhalb eines Landes) und quartals- bis halbjahresweise bei lockerer Zusammenarbeit (z.B. internationale Tochtergesellschaften)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert