Denkanstoß: „Management by Crowd(s)election“

In letzter Zeit habe ich öfter von einem Phänomen gelesen, das ich hier „Management by Crowd(s)election“ nennen und kurz vorstellen möchte.

In der Xing-Publikation „Spielraum“ wird vom Software-Unternehmen Haufe-umantis AG, dem Schweizer Marktführer und Pionier für webbasiertes Talent- und Leistungsmanagement, berichtet, in der der Firmengründer Hermann Arnold Anfang 2013 entschied, dass für die nächste (Wachstums-) Phase des Unternehmens ein neuer, ein jüngerer Kopf an die Spitze müsste. Dieser sollte gewählt werden und im Juni stellte der damalige Leiter Vertrieb und Marketing Marc Stoffel sich und sein Konzept vor. Nach der anschließenden Diskussionsrunde der Mitarbeiter wurde er als neuer Unternehmensvorstand ohne Gegenstimme von der Mitarbeiterschaft gewählt. Im Winter soll die Führungsebene übrigens wieder erneut gewählt (bzw. durch Wahl bestätigt) werden. Der Firmengründer selbst ist nach einer Auszeit wieder zurück im Unternehmen und bringt sein wichtiges Know-how in der Entwicklung ein.

Management by Crowd(s)election
Management by Crowd(s)election
Auch das Unternehmen W. L. Gore & Associates, das 10.000 Mitarbeiter hat und unter anderem hinter Gore-Tex steht, wählt seinen CEO demokra-tisch, schreibt Will Yakowicz in „Three Reasons to Eliminate Hierarchy in Your Company“ in www.inc.com. Der Artikel geht zurück auf eine Veröffentlichung von Tim Kastelle, einem Professor für Innovation an der University of Queensland Business School, im Harvard Business Review. Darin berichtet dieser, dass flache Hierarchien Unternehmen helfen, innovativ zu sein, und „… that organizations with flat structures outperform those with more traditional hierarchies in most situations“.

Die drei im Artikel genannten Gründe für den Erfolg von Unternehmen mit flachen Hierarchien sind:

(1) die Unternehmen sind schneller, flinker – da die Mitarbeiter weniger auf Entscheidungen warten müssen, da sie diese selber und damit schneller treffen können 

(2) den Unternehmen fällt es leichter sich mehr auf Innovationen zu fokussieren – die Entwicklung von Innovationen bedarf schneller Iterationen mit autonomen Entscheidungsmöglichkeiten und Teamarbeit rund um die Uhr, was durch flache Hierarchien begünstigt wird

(3) diese Unternehmen haben typischerweise ein gemeinsames Ziel – damit benötigt man keine Organisatoren oder „Aufpasser“ in der Unternehmensstruktur, jeder weiß, wofür er selber und alle anderen arbeiten

Nun ist natürlich eine flache Hierarchie noch etwas anderes als einen Vorstand von den Mitarbeitern wählen zu lassen. In der Websphäre und der Wirtschaft setzen sich Crowd-basierte Ansätze zunehmend durch – aber basisdemokratische Bestimmung des Vorstandes: hat „die Crowd“ auch in so einem Fall recht, weiß die Mehrheit der (betroffenen) Mitarbeiter, wer der beste Vorstand für ein Unternehmen ist?

Gute Pläne, mit denen die Mitarbeiter für eine Wahl überzeugt werden können, sind das eine, aber Realismus, Umsetzungs- und Durchsetzungsstärke, die notwendige Erfahrung hierfür – wenn die fehlen, dann hilft es dem Unternehmen wenig und die Frage ist, ob durch eine weitere Wahl zum nächsten Vorstand dann diese Schwächen oder Nachteile schnell genug ausgeglichen und das Unternehmen wieder auf die Erfolgsbahn umgesteuert werden kann. 

Bekommen wir damit Unternehmenslenker, die aus Gründen der Popularität und Wiederwahlchancen auf notwendige Einschnitte oder harte Entscheidungen verzichten – welcher Mitarbeiter würde zum Beispiel einen Vorstand wählen, der Personalabbaumaßnahmen ankündigen würde? Oder wären Abbaumaßnahmen unnötig, weil alle Mitarbeiter zusammen rechtzeitig und in der notwendigen Härte in einem schwierigen Umfeld das Umsteuern des Unternehmens unterstützen? Ich habe auch aus meinen Erfahrungen, jedenfalls Stand heute, meine Zweifel daran.


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