Datenflut – Möglichkeiten zur Reduktion der Komplexität

Im Blogpost Umgang mit der Datenflut berichtete ich von den Bedenken und Ängsten vor der aufkommenden Komplexität und Datenmenge als nötige oder „als nötig empfundene“ Grundlage für künftige Entscheidungen. Auch ein Beispiel eines einfachen Systems zur Darstellung wie mit der Datenflut und ihren Herausforderungen umgegangen werden kann, hatte ich angegeben – das Navigationssystem. Heute möchte ich ein zweites Beispiel ergänzen und ein wenig einen Ausblick geben, wohin die Entwicklung aus meiner Sicht gehen wird.

Komplexität & Datenflut in Flughafenleitständen

Wir entwickeln in dem Unternehmen, in dem ich tätig bin, unter anderen Software für Flughäfen, insbesondere Flughafenleitstände. Auch hier sehen wir eine Entwicklung zu mehr, deutlich mehr zur Verfügung stehenden Daten und Informationen. Während heute schon die Grossbildschirme in Leitständen, die sogenannten Videowalls, überquellen vor Informationen, die einem Flughafenbetreiber zur Steuerung zur Verfügung stehen, so wird dies durch zwei Aspekte in der Zukunft überproportional wachsen. Mit dem Internet der Dinge werden deutlich mehr Informationen in deutlich kürzerer Zeit, zunehmend in Echtzeit, zur Verfügung stehen – wenn, um nur ein paar Beispiele zu nennen, jede Sicherheitsschleuse, jedes Gepäckband und jeder Check-in Schalter Informationen abliefern kann. Und wir sehen, dass zur Optimierung eines Flughafens in der Zukunft idealerweise alle oder zumindest mehrere Stakeholder eines Flughafens Informationen teilen und gemeinsam nutzen – also nicht nur Informationen vom Flughafen selber, sondern auch von den Fluglinien, Groundhandlern oder der Flugsicherung zur Verfügung stehen, integriert und zur Entscheidungsfindung einbezogen werden, siehe auch die Unterlagen zum Forschungsprojekt „Total Airport Management Suite“, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), gefördert wurde.


Control Center im Zeichen der Komplexität

Auch in solchen Leitstandssystemen ist die Benutzeroberfläche der Schlüssel zur Beherrschung der Daten und der mit ihr einhergehenden Komplexität. Kein Controller kann alle diese Informationen aus den Datenquellen überblicken und selber interpretieren oder nur priorisieren. Deshalb sind Konzepte zu entwickeln, die in Standardsituationen einen einfachen und schnellen Überblick über die Daten geben, idealerweise auf den einzelnen Nutzer oder die Nutzergruppe vorkonfiguriert, wie er bzw. sie die Daten benötigt und im Vorfeld als sinnvoll definiert hat. Dabei gilt natürlich, dass der Benutzer jederzeit in die der Darstellung zugrundeliegende Datenflut hineinzoomen und die Daten genauer betrachten kann, die ihn gerade am meisten interessieren. Bei dem einfachen Beispiel des Navigationssystems im letzten Blogpost würde das dem sekündlichen Blick auf den Navigationsbildschirm entsprechen, wo der Fahrer sieht, wie er sich auf der Karte mit seinem Fahrzeug vorwärtsbewegt. Im Navi geht es nicht noch tiefer in die Daten für den Nutzer (also beispielsweise bis zur Anzeige der Anzahl der Radumdrehungen), im Flughafenleitstand kann man prinzipiell einen noch tiefergehenden Datenzoom auf jedes Informationsbyte zur Verfügung stellen.

Wichtiger ist, dass der Nutzer auf Ausnahmesituationen aufmerksam gemacht wird, also wie beim Navi, wenn es dem Fahrer den Hinweis gibt, dass er nicht mehr einfach nur geradeuas fahren kann, sondern um sein Ziel zu erreichen nun abbiegen muss. Im Flughafenleitstand müssen dafür in den Systemen, meist konfigurierbar, Grenzen von Systemwerten / Daten definiert werden, innerhalb derer sich das System „im Normalbetrieb befindet“ und außerhalb derer der Benutzer alarmiert werden muss. Dann schaltet der heute mit zahlreichen Daten schon fast überfrachtete Bildschirm um, holt die für die Ausnahmesituation ausschlaggebenden Daten in den Vordergrund und macht – akustisch, optisch – den Controller im Leitstand auf die neue Situation, in der er explizit handeln muss, aufmerksam. Je nach Umfang des Systems können dabei dem Nutzer schon Lösungen (zum Beispiel als Workflows, das heißt im Vorfeld modellierter Prozesse) angeboten werden, die ihn dann in der Abarbeitung der Ausnahmesituation weiter unterstützen und ihm helfen.

Spracheingabe zur Systemsteuerung

Wenn wir einen Ausblick wagen wollen, so setzt sich ein Thema zur Reduktion der Komplexität und damit zur Vereinfachung der Benutzerschnittstelle immer mehr durch und wird wichtiger: die Sprachsteuerung. Dieser Trend fängt im Consumerbereich an und wird sich nach meiner Meinung schnell im Businessbereich fortsetzen.

Dazu ein Beispiel aus der Praxis, welches zwar trivial erscheinen mag, mich aber selber aufgrund eines ersten Einblicks in die Möglichkeiten fasziniert hat. Ich war eines Tages auf dem Weg von München nach Nürnberg in eines meiner Büros, als ich feststellte, dass ich rund eine halbe Stunde zu früh zu meinem Termin kommen würde. Da ich an diesem Tag noch ein elektronisches Zubehörteil für meine Frau besorgen wollte, startete ich – noch während der Fahrt kurz vor der richtigen Ausfahrt von der Autobahn zum Büro – auf meinem iPhone Siri und suchte nach dem nächsten Mediamarkt. Siri fand 11 Mediamärkte in der Nähe und bot mir den nächsten in 2 km Entfernung befindlichen zur Auswahl des weiteren Vorgehens an (einziges Manko vielleicht: Siri interpretierte alle Elektrofachmärkte als Mediamärkte, was aber meiner Problemlösung keinen Abbruch Tat). Auf die Frage, „möchten Sie anrufen, den Weg dorthin navigiert bekommen oder …“ bat ich Siri mich dorthin zu lotsen und wurde prompt über Sprachansagen von Google Maps direkt auf den Parkplatz des Ladens dirigiert. Nach dem Einkauf des benötigten Ersatzteils stieg ich in den Wagen und fuhr in Richtung Büro zurück, als ich merkte, dass ich gerade pünktlich zum Termin kommen würde. Damit meine Frau nicht bevor ich ihr Bescheid geben konnte, das Ersatzteil selber ein zweites Mal kaufte, sagte ich Siri sinngemäß „Nachricht an meine Frau senden“ und diktierte eine SMS, in der ich sie informierte, dass ich das benötige Ersatzteil bereits gekauft hatte. All dies geschah, ohne dass ich – außer zum Start von Siri – nur eine Taste gedrückt hatte, per Sprachsteuerung.

Ich schätze, dass diese Art der Steuerung, die Spracheingabe, sich auch in Zukunft deutlich verstärkt durchsetzen wird – an mir jedenfalls soll der Durchbruch dieser Technik nicht scheitern.