Social Enterprise Plattformen – nur ein weiterer Informationskanal?
Bei der Einführung von Social Enterprise Plattformen (SEP) in Unternehmen, wie Yammer, Communote, Asana oder Polio (siehe zum Beispiel den Computerwoche-Artikel „Die besten Social Enterprise-Tools für KMU“), stößt man immer wieder auf vermeintliche „Totschlag-Argumente“, auf die es sich lohnt vorbereitet zu sein und passende Antworten parat zu haben.
So wurde mir neulich von einem Bekannten aus dem oberen Management eines Unternehmens entgegen gehalten, dass er ja schon heute „zuviele Mails bekommt, da kann ich nicht noch einen weiteren Informationskanal aufmachen, den ich mir regelmäßig zusätzlich anschauen muss“. Ein auf den ersten Blick durchaus nachvollziehbares Argument, denn wie in „In der Emailflut über Wasser bleiben…“ von mir beschrieben, leiden wir ja mittlerweile alle an der Anzahl von Mails in unserer Inbox und versuchen – mehr oder weniger verzweifelt – einen Überblick zu bekommen bzw. behalten. Und ganz im Sinne einer der Grundregeln der Getting Things Done Methode – nämlich alle Aufgaben nur an genau einer Stelle zu sammeln – würde es ja absolut Sinn machen, auch an nur „einer einzigen Stelle“ einen Informationseingang zu haben, den man be- und abarbeiten muss.
Allerdings müssen wir tatsächlich auch heute schon mehr als nur einen Eingang im Griff haben – selbst wenn man sich nur auf asynchrone Eingänge reduziert und Meetings oder Telefongespräche einmal außen vor lässt. Zusätzliche asynchrone Eingänge zur Email, die man nach einem Tag voller Meetings beispielsweise nach hinterlassenen Nachrichten abhören oder neuen Informationen durchsehen muss, sind die Mailboxen unserer Telefonanschlüsse, manchmal Festnetz und Mobilnummer gleichzeitig, der SMS-Eingang mit Rückrufbitten oder ähnlichem, bei manchem auch noch Whatsapp-Nachrichten. Und – es wird auch weiterhin immer Personen geben, mit denen nicht über SEP, sondern über Mail kommuniziert werden muss: Partner, Kunden, Dienstleister, die als Externe keinen Anschluss an die interne SEP haben.
Tatsächlich also erfolgt mit einer SEP in der Realität keine Steigerung „von einem asynchronen Informationskanal auf zwei Kanäle“ (siehe Abbildung, linke Hälfte), sondern vielmehr „von x Informationskanälen auf x+1“, prozentual also nicht die vermeintlich große Steigerung (siehe Abbildung, rechte Hälfte). Trotzdem nachvollziehbar die erste Reaktion, denn ein Kanal mehr bedeutet auch in diesem Fall erst einmal mehr Arbeit bzw. fühlt sich für den Betroffenen so an.
Ein wesentlicher Vorteil und ein Argument, welches ich dem Kollegen entgegengehalten habe, war das Thema „Ordnung und Übersicht in einer SEP“ und, wenn es denn einmal eingespielt und Gewohnheit ist, der dadurch entstehende Geschwindigkeitsvorteil. Er ist für mehrere Großprojekte in seinem Untermehmen verantwortlich und so erläuterte ich ihm kurz, dass er über Gruppen, Foren bei einer SEP den immensen Vorteil einer quasi automatischen Vorselektion hat. Was wir im besten Falle in unserem Email-Programm mühsam mit Regeln versuchen hinzubekommen, wird einem hier (zumindest teilweise) abgenommen: um zuallerst zu wissen, ob es im kritischen Großprojekt in den USA etwas Wichtiges, Neues gibt, schaue ich in der entsprechenden Gruppe der SEP in diesem Fall zuerst nach. Zum Vergleich: bei den 50, 60 Mails im Email-Posteingang müssen alle durchgeschaut werden – es sei denn, man vereinbart, dass der Betreff jeder relevanten Mail mit „PROJEKT USA:“ beginnt. Eine idealtypische Regelung, die ich übrigens noch nie konsequent und komplett umgesetzt gesehen habe. Und das bedeutet wiederum alle 50, 60 Mails durchzuschauen, ob sich nicht doch noch eine wichtige Information zum gewünschten Thema darunter versteckt.
Da wäre eine geniale Lösung eine Plattform, wie ich sie in „Das Mailprogramm der Zukunft“ beschrieb: eine Plattform, die nicht nur innerhalb eines Mediums Nachrichten sortiert, sondern eine quasi Medien-übergreifende Intelligenz, die meine Mails, SMS, Nachrichten auf Social Enterprise Plattformen und vieles mehr sortiert. Ja, dafür braucht sie natürlich Informationen zum Kontext, zum Beispiel welche Themen und Projekte beschäftigen mich gerade, welche Personen sind potenziell welchen Streams (= Themen) zugeordnet und vieles mehr, wie im entsprechenden Blogpost beschrieben. Und lassen wir einmal aussen vor, ob das in der Cloud gehalten und geschehen muss oder in einer lokalen Installation, aber wenn wir uns anschauen, was am Markt bereits umgesetzt oder möglich ist, so sollte einem ersten Prototypen kaum etwas im Weg stehen.
Takeaway
Das Argument des Kollegen „eine (neue) Social Enterprise Plattform ist ein weiterer Informationskanal, der zusätzlich bearbeitet werden muss“ kann ich grundsätzlich nachvollziehen. Als positives Gegenargument bietet es sich an, die mögliche Fokussierung in einer SEP auf einzelne Themen in Gruppen oder Foren hervorzuheben – gerade für bereits an der Informationsflut leidende Manager, die wie im obigen Beispiel über kritische Projekte schnell einen aktuellen Überblick an einer Stelle (eben dem entsprechenden Forum oder Gruppe innerhalb einer Social Enterprise Plattform) bekommen könnten. Und durch konsequente Nutzung würden mit jedem zusätzlichen Projekt oder Thema auf einer SEP auch weniger Mails im Posteingang landen.