Denkanstoß: Social Enterprise Plattformen – nur temporäres Wissen?
Aus Unternehmenssicht halte ich Social Intranets und Enterprise Plattformen für wichtige, zukunftsträchtige Werkzeuge – insbesondere zum schnellen, einfachen Informationsaustausch oder zum „Auffinden“ von Experten im Unternehmen (siehe auch „Social Enterprise Plattformen – Facebook für Firmen?“). Als Informatiker sehe ich sogar das Potenzial, dass diese Werkzeuge sich zusammen mit einer mächtigen Suchmaschine zu einer neuen, dieses Mal funktionierenden Wissensbasis des Unternehmens entwickeln können – als Ersatz für die in den letzten Jahren, ja Jahrzehnten vergeblichen Projekte allumfassende Wissensdatenbanken aufzubauen. Ähnlich wie im Mailarchiv beim Artikel über meine Mailorganisation („In der Email-Flut über Wasser bleiben“) wird die Zukunft nicht in einer strukturierten Ablage der Informationen liegen (eben zum Beispiel einer Wissensdatenbank), sondern – angesichts der heutigen und insbesondere ja auch nicht in der Zukunft geringer werdenden Datenmassen – in einer unstrukturierten Ablage mit mächtigen Suchmöglichkeiten.
Social Enterprise Plattformen als Wissensrepräsentation
Das durch diese Tools (Social Enterprise Plattformen, kurz: SEP) entstehende „Unternehmenswissen“ wird repräsentiert durch die Gesamtheit von Kommentaren und Links, wie sie im eingesetzten Werkzeug vorliegen, sowie einer zum Unternehmensnetzwerk gehörenden Dokumentenablage. Dieses sogenannte „Unternehmenswissen“ entspricht dabei der Summe des Wissens der Mitarbeiter (beziehungsweise technisch betrachtet: der Summe der Kommentare sowie Link- und Dokumentensammlungen der Mitarbeiter).
Als Teil eines Unternehmens gebe ich als Mitarbeiter also mein Wissen, meinen Input in dieses geschlossene Netzwerk. Das ist gewünscht – und auch für mich als Person kein Problem, solange ich Teil des Netzwerkes bin und uneingeschränkten Zugang zu diesem habe. Wie viel auch immer ich an Informationen in die Plattform einstelle – und dabei gilt derselbe Grundsatz wie für die Anzahl der Mitglieder von Netzwerken: je mehr (Mitglieder oder eingestellte Informationen), desto höherer Mehrwert – ich habe dort eine auch für mich persönlich zentrale Sammlung meiner wesentlichen Links, Dokumente, Anleitungen und Artikel hinterlegt, kurz: wesentliche Teile meines Wissens hier repräsentiert. Und das gilt selbstverständlich nicht nur für Verweise auf für mich wichtige Dokumente im internen Netzwerk, sondern auch für Verweise auf externe Quellen. Bei späteren Suchen startet man dann auch selbst meist in der SEP („da hatte ich doch neulich diesen Artikel zu dem und dem Thema gepostet“).
Problematisch aus Sicht des Mitarbeiters
Was aber passiert, wenn ich als Mitarbeiter das Unternehmen und damit die Social Enterprise Plattform beziehungsweise das geschlossene Netzwerk verlasse?
Mein Wissen bzw. seine Repräsentation bleibt in der Plattform zurück. Das Unternehmen und die (dann ehemaligen) Kollegen können die von mir geposteten Beiträge und Links weiterhin finden, lesen und nutzen. Da der direkte Draht zum ursprünglichen Autor oder zumindest Inputgeber (eben mir als Mitarbeiter des Unternehmens) fehlt, geht naturgemäß ein Teil des Mehrwertes für das Unternehmen verloren.
Als Mitarbeiter, als Autor selber habe ich nach Verlassen des Unternehmens keinen Zugriff mehr auf meine Beiträge und deren Inhalte. Ein Teil davon waren sicherlich interne Informationen, Dokumente und Querverweise, die ein Mitarbeiter bei Verlassen des Unternehmens zurücklassen muss und nicht weiter nutzen darf. Was aber ist mit den ins Internet, auf freie Dokumente, Artikel oder Videos verweisende Links, die ja auch einen Teil meines in der SEP repräsentierten Wissens darstellen?
Wir versuchen in unseren Netzwerken ausgehend von den Fragestellungen anderer Teilnehmer Antworten zu geben, hilfreiche und wissenswerte weiterführende Informationen zu sammeln und dem Fragenden bzw. der Unternehmensallgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Dabei steht die Frage im Netzwerk (und bei späterer erneuter Suche) im Vordergrund und nicht die Antwort oder die Quelle. Das heißt, wir orientieren unsere Antwort an der Fragestellung und strukturieren damit die Repräsentation des Wissens an der Frage („wie kann ich…?“ oder „Wo finde ich…?“) und nicht an der Information der Antwort selber („man kann…“). Das ist der eine Teil des Problems – ich kann also nicht einfach alle meine wertvollen Tipps und mein Wissen an meinem Input orientiert an einer Stelle wiederfinden, um es in geeigneter Form mitzunehmen. Man müsste vielmehr die Vielzahl der von einem selbst gegebenen Antworten auf unterschiedlichste Fragestellungen „an unterschiedlichen Stellen in der SEP“ suchen und finden.
Kein Angestellter baut weiterhin eine parallele, private Sammlung seiner Wissensrepräsentation auf, damit diese im oben angegebenen Fall zum Beispiel eines Unternehmenswechsels weiter für ihn zugreifbar bleibt. Zwangsläufig geht als Folge bei einem Wechsel oder Verlassen eines Unternehmens für den Mitarbeiter beides verloren: der unternehmensinterne Teil unseres Wissens bleibt korrekterweise zurück, aber auch der „externe Teil“ und das damit grundsätzlich extern verfügbare Wissen und seine Dokumentation ist verloren.
Auch für Unternehmen ein Problem?
Verstärkt wird dieses „Problem des temporären Wissens“ für ein Unternehmen bei Veränderung: Was passiert, wenn ein Unternehmen die Plattform wechselt oder wechseln muss, weil es zum Beispiel auf den falschen Anbieter gesetzt hat, der – aus welchen Gründen auch immer – die Plattform nicht weiter entwickelt. Was passiert, wenn Unternehmensteile verkauft werden und eine eigene Plattform neu aufbauen (müssen)?
Ist das Social Intranet also nur eine flüchtige und temporäre Wissensbasis – oder für Unternehmen eine potenziell langfristig verfügbare Repräsentation, aber nur temporär für Mitarbeiter? Gibt es Möglichkeiten diesem (partiellen) Gedächtnisverlust vorzubeugen? Gibt es Strategien gegen den Verlust der in SEP aufgebauten Wissensrepräsentation?
Lösungsansätze
So kann man sich theoretisch vorstellen, dass Exporttools verwendet werden. Aber wie kann man dann einfach differenzieren, was als internes Wissen des Unternehmens vom Mitarbeiter zurückgelassen werden muss und was exportiert und mitgenommen werden darf? Wie kann bei einer Abspaltung eines Unternehmensteils der für diesen Teil relevante Ausschnitt aus der (Gesamt-) Unternehmensplattform exportiert werden, ohne dass die Konsistenz (z.B. Verknüpfungen zum zurückbleibenden Teil) verloren geht? Oder ist der Gedanke, dass SEP über die flüchtige, aktuelle Diskussion und Problemlösung hinausgehen und als Wissensrepräsentation für das Unternehmen fungieren können, grundsätzlich falsch?
Als Ergebnis könnte man folgern, dass als „Wissensbasis im Unternehmen“ die Gesamtheit der zugehörigen Mitarbeiter (nicht des Mitarbeiter-Inputs in SEP), verknüpft durch Collaborationtools dient. Mit jedem Mitarbeiterwechsel (Zugang und Abgang) erfährt das Unternehmenswissen eine Veränderung (Zuwachs und Verlust) – die folglich wichtigste Aufgabe in diesem für die Zukunft des Unternehmens so wichtigen Bereich „Wissensmanagement“ wäre es also, gute Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten. Was aber folgt dann für die vielseitig beschworene Zukunft der Freelancer-Kultur (und der zugehörigen Unternehmensform wie „fluide Unternehmen“, siehe auch „Buchtipp: 2025 – so arbeiten wir in der Zukunft)? Kann diese unter dem Aspekt der obigen Wissensbeurteilung für Unternehmen überhaupt eine solide Zukunft bilden?
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