Das „Mailprogramm der Zukunft“
Emails – mittlerweile eine Plage für die meisten von uns, für die es unzählige Strategien und Artikel, wie man nicht von ihnen überrollt wird oder untergeht, gibt. Auch ich habe den Umgang und die Probleme mit Emails in diesem Blog schon mehrfach als Thema in meinen Artikeln gehabt, zum Beispiel „In der Emailflut über Wasser bleiben“ und „Was spricht denn eigentlich gegen Email?“.
Ausgelöst durch den Aufruf von Stefan Pfeiffer, Marketing Lead Social Business für Europa bei der IBM, zur Blogparade „Der tägliche Emailschmerz und was erwarte ich vom Mailclient der Zukunft“ habe ich mich – statt wie bisher eher reaktiv zu versuchen das existierende Problem in den Griff zu bekommen – einmal intensiver mit meiner „Traumlösung“ für Emails, bzw. allgemeiner: „nicht-persönliche Kommunikation“, auseinander gesetzt.
Eine(!) Kommunikationszentrale
Wer sich mit dem effektiven Umgang von todo-Listen beschäftigt oder sich mit der Methode GTD („getting things done“) auskennt, für den ist klar, was an erster Stelle stehen sollte, wenn man von der Kommunikationszentrale der Zukunft spricht: es muss eine Zentrale sein und genau eine, in der so viele Kommunikationskanäle wie möglich, im Idealfall: alle, zusammenfließen. Also nicht eine App (oder ein Bildschirm) für SMS, eine für die Anrufe – entgangene wie angenommene – und unter Umständen sogar mehrere Apps für die Mails von verschiedenen Accounts:
Und so sollten alle für mich eingegangenen Nachrichten jeglicher Medien zunächst einmal einfach untereinander aufgeführt werden:
- Es gibt Mails, sichtbar an dem Briefumschlag rechts oben in der Kopfzeile der Einträge, der sogar noch farblich variiert werden kann: rot für „direkt und nur an mich adressiert“, gelb für „direkt an mich, aber als Teil einer umfangreicheren Empfängerliste“, weiß als „weniger wichtig, weil nur zur Information“ wie zum Beispiel als Teil einer cc-Liste oder, etwas intelligenter gefiltert, weil die Mail mit „FYI“ („for your information“) anfängt.
- Mit einer Gruppe von Menschen rechts in der Symbolspalte werden Nachrichten aus Sozialen Netzwerken oder der Social Enterprise Plattform des Unternehmens, für das ich tätig bin, angezeigt. Zur Verfeinerung sollte es analog der verschiedenfarbigen Mails im letzten Absatz hier ergänzend möglich sein, das Emblem des jeweiligen Netzwerks aus dem der Kommentar / die Nachricht kommt, einzublenden. Damit würde man auch gleich auf einen Blick sehen, ob es sich um eine firmeninterne Nachricht (aus der internen Unternehmensplattform) oder eine aus einem externen Netzwerk handelt.
- Der Telefonhörer in der Kopfzeile rechts oben symbolisiert einen Anruf oder eine Sprachnachricht (auf einer Mailbox). Den Sender zu identifizieren (mindestens wenn er in meinem Adressbuch gespeichert ist) ist kein Problem, wie uns die Visual Voicebox von Apple für das iPhone ja schon zeigt. Und warum sollte nicht unser Rechner in Zukunft im Hintergrund bei einer für unser gespeichertes Adressbuch unbekannten Nummer im Internet (Telefonbücher, Verzeichnisse, Soziale Netzwerke) weitersuchen, bis er irgendwann fündig wird und die „unbekannte Nummer“ gegen Informationen über den Anrufer austauschen kann. Als weitere Differenzierungsmöglichkeiten könnten – zumindest heute noch – Festnetz, Handy oder zum Beispiel Skype als Quelle angezeigt werden.
Ungelesene Nachrichten werden – in der dargestellten Skizze oben – übrigens in kursiver Fettschrift zur schnelleren Erkennung dargestellt. Alternativ könnte eine leicht andere Hintergrundfarbe dezent auf neue Nachrichten hinweisen.
Die Kombination beider Varianten wäre idealerweise als neues, zweistufiges Vorgehen denkbar: neue Nachrichten werden mit andersfarbigem Hintergrund und kursiver Fettschrift dargestellt. Als Nutzer kann ich in einem ersten Schritt mit einem Tastendruck die „neu angekommenen“ Mails auf „wahrgenommen“ und damit die Hintergrundfarbe auf den Standardhintergrund setzen. Ich sehe also mithilfe der Hintergrundfarbe, ob seit der letzten Betrachtung des Eingangsmailbildschirms weitere neue Mails eingetroffen sind. In kursiver Fettschrift bleiben die Mails jedoch so lange angezeigt, wie ich sie nicht geöffnet und den Inhalt gesehen beziehungsweise gelesen habe.
Realitätsfaktor: Mittel
Tatsächlich gibt es ja bereits seit geraumer Zeit die Möglichkeit, Faxversand und -empfang über Mails zu regeln, zum Beispiel mit dem PC-Fax der Deutschen Telekom, Nachrichten auf der Mailbox werden mit der Visual Voicebox als Stream dargestellt, warum also die verschiedenen Streams nicht zusammenführen – die Konvergenz weiter zu treiben ist also zumindest technisch möglich.
Automatische Filter
Aber – das gibt einen unendlichen Wust an Informationen, wenn wir alle unseren heutigen Nachrichten untereinander so dargestellt bekommen. Man denke neben verschiedenen Rufnummern (Büro, privat, Handy) auch an verschiedene Mailaccounts (privat und dienstlich), die Input liefern würden. Also das Ergebnis wäre so eher eine Verkomplizierung der jetzigen Situation – auch wenn die verschiedenen Kanäle zumindest schon einmal integriert würden.
Es folgt der Wunsch nach einer automatischen Filterung. Allerdings würde ich mir dann eine Lösung vorstellen, die mehr hilft als heute, wo ich beispielsweise in Microsoft Outlook zwischen verschiedenen Ordnern, in die ich gefilterte Mails jetzt schon automatisch sortieren lasse (vergleiche Blogpost „In der Emailflut über Wasser bleiben“), hin und her springen muss. Stattdessen möchte ich – zumindest für die zwei, drei wichtigsten Cluster / Themen, die mich aktuell beschäftigen – auf einen Blick gleichzeitig sehen, wenn und wo neue Informationen gekommen sind.
Das kann mit parallel dargestellten, verschiedenen Spalten realisiert werden – intelligente Filteralgorithmen, die auf Personen, Betreffzeilen und Mailinhalte laufen, erlauben die weitgehend automatische Sortierung der eingegangenen Nachrichten nach den vom Benutzer vordefinierten Streams, im Beispiel „Projekt Buchungssystem“, „Vertrieb“, „Privat“ oder andere inhaltlich zusammenhängende Streams. Technisch könnten selbst Sprach-, also Mailboxnachrichten nach Sprecher (zum Beispiel „Familie=privat“) und Inhalt (zum Beispiel „Schlüsselwort=Projekt xy“) durchsucht und automatisch dem passenden Stream zugeordnet werden (zu Möglichkeiten der Spracherkennung siehe auch den Blogpost „Spracheingabe zur Komplexitätsreduktion“).
Auf dem Desktop sollte das dann so aussehen (ähnlich einer Darstellung des Tools Hootsuite für Soziale Netzwerke):
Realitätsfaktor: Mittel
Wenn wir von einer Art „Widget“ ausgehen, das den Eingangsstrom von Nachrichten jeglicher Art untereinander wie in der ersten Abbildung darstellen kann, dann ist eine technische Aufteilung auf verschiedene Streams nebeneinander kein Problem.
Schwieriger, aber nicht unlösbar ist die Aufgabe des Filterns. Mit Regeln wie heute schon in Outlook definierbar, Spracherkennungssoftware à la Siri und einer „lernenden Applikation“, die nach und nach mehr Schlüsselwörter zu bestimmten – anfänglich durch den Nutzer definierten – Begriffen für einen Stream identifizieren und somit Nachrichten automatisch zuordnen kann. So eine Filtersoftware wäre anspruchsvoll, aber ich denke nicht utopisch.
Nach einem Artikel in der Zeitschrift c’t zum iOS 8, von dem bereits Features auf Apples Entwicklerkonferenz WWDC vorgestellt wurden, kann Apples Nachrichten-App zukünftig sogar die Wortwahl der Textvorschläge passend auf den Empfänger, also zum Beispiel unterschiedlich für den Chef oder den eigenen Partner, abstimmen und so bereits in diesem Sinne kontextsensitiv „handeln“. Ein weiterer Schritt in die besprochene Richtung.
Allerdings ist ein dem entgegenstehender Punkt sicher der Datenschutz und die Privatsphäre: will ich wirklich einem Algorithmus und gegebenenfalls seinen Autoren / veröffentlichendem Unternehmen den Zugriff auf diese ausgewerteten Daten zulassen oder kann das als „stand-alone-Application“ installiert werden? Und neben den vertraulichen firmeninternen Informationen bringt der Wunsch nach „genau einer Nachrichtenzentrale“ natürlich auch eine Vermischung privater und beruflicher Informationen und Daten – in dem Maße jedenfalls, in dem der Nutzer das zulässt.
Mobile / responsive Lösung
Ähnlich der Integration der verschiedenen Kommunikationskanäle in eine Lösung sollte dieser eine Gesamtstream aber durchgängig und konsistent auf verschiedensten Endgeräte beobachtet und „bearbeitet“ werden können, also wahlweise auf dem Laptop, dem Tablet oder dem Handy.
Ein weiterer Kanal wäre mir persönlich auch wichtig: Als Pendler verbringe ich viel Zeit im Auto – eine stimmgetriebene Nutzung, wie Apple mit Siri und CarPlay schon anfängt umzusetzen, würde dabei ebenfalls weiterhelfen, Fahrtzeiten zu überbrücken, wichtiger wahrscheinlich noch in der Zukunft: nicht bei der Ankunft am Ziel nach der Fahrt von der Menge an neuen Nachrichten überrollt zu werden.
Realitätsfaktor: Hoch
Technisch bereits von vielen Herstellern realisiert ist die Übertragung auf weitere Endgeräte, zum Beispiel Smartphones, Tablets oder Autos, kein Thema.
Fazit
Technisch sind die Grundlagen gelegt – ein nur mittelgroßer Schritt in Richtung Konvergenz der verschiedenen Kanäle und wir hätten die beschriebene Lösung.
Allerdings – je intelligenter die Software agieren, filtern und vorsortieren soll, desto mehr gibt es natürlich auch wieder das Spannungsfeld mit dem Datenschutz und dem entstehenden Wissen über den Nutzer in der Software oder beim Hersteller. Das Ziel muss also sein, solche Software / Auswertungen nicht zentral bei einem Anbieter in der Cloud, sondern lokal im eigenen Unternehmen, auf dem eigenen Rechner laufen zu lassen, eine Übersicht über preisgegebene Daten und die Möglichkeit zur Löschung (siehe auch die jüngste Diskussion zur Datenlöschung bei Google) inbegriffen.
Und – eine zugelassene Konvergenz von beruflichem und privatem Leben ist dafür ebenfalls „hilfreich“. Doch davon sind wir heute oftmals – Stichwort: berufliches Handy und Laptop dürfen oft nicht für private Zwecke verwendet werden – noch weit entfernt.