Pünktlichkeit ist eine Tugend

Wissen Sie, wieviel Zeit Sie schon in Telefon- oder Webkonferenzen verbracht haben und warten mussten, bis alle Teilnehmer eingewählt waren, die Technik reibungsfrei von allen eingerichtet beziehungsweise gestartet war und genutzt werden konnte? Ich bin mir sicher, das addiert sich bei mir nicht in Stunden, sondern in ganzen Tagen, die ich lediglich wartete, um dann „endlich anzufangen“. Als pünktlicher Mensch bin ich selber wirklich nur in Ausnahmesituationen nicht zur vereinbarten Uhrzeit in einem Meeting oder einer Telefonkonferenz, und wenn, dann mit Ankündigung (wenn es nicht anders geht und vorher potenziell in Betracht kam) beziehungsweise kurzer Nachricht an den Organisator oder die Teilnehmer, das und wieviel ich später komme. Eine andere Tugend (neben der Pünktlichkeit) half mir in einem Großprojekt einmal unbewusst, diese Wartezeit am Anfang von Meetings zu minimieren und Pünktlichkeit im Team zu implementieren: meine Höflichkeit.

Vor Jahren übernahm ich die Verantwortung für ein Großprojekt mit mehreren Projekt- und Teilprojektleitern zu einem Zeitpunkt, als dieses bereits in einer kritischen Lage war. Um den Fortschritt und die Kommunikation zwischen den zahlreichen Bereichen des Projektes zu verbessern, richtete ich eine alle zwei Tage stattfindende Telefonkonferenz ein.

Ich war neu in diesem Kontext und kannte noch nicht alle Beteiligten persönlich – so hatte ich mir für jeden Telefontermin eine Liste mit den Teilnehmer aufgeschrieben und hakte jeden ab, der sich einwählte. Nicht jeder meldete sich mit Namen, und da ich auch noch nicht alle Stimmen hundertprozentig unterscheiden konnte, forderte ich mich quasi selber heraus. Ich versuchte die bereits eingewählten Teilnehmer auch ohne Nachfrage zu identifizieren – und den letzten Teilnehmer begrüßte ich dann mit Namen. Mal meldete sich dieser mit Namen, mal nicht, aber als höflicher Mensch startete ich auch dann mit „Guten Abend, Herr Meier, dann können wir jetzt beginnen“. Nach anfänglichen Schwierigkeiten fing die Telefonkonferenz in den folgenden Wochen immer überpünktlich mit allen Beteiligten an – was ich nach meinen bis dato gemachten Erfahrungen als eher ungewöhnlich wahrnahm, aber angenehm empfand.


Webkonferenzen
Webkonferenzen

Eines Tages wählte sich dann Herr Schultze als letztes ein und wurde von mir wie beschrieben mit Namen begrüßt und ich eröffnete die Telefonkonferenz, „Guten Abend, Herr Schultze, dann können wir ja jetzt anfangen“. Aber direkt nach meiner Begrüßung platzte aus Herrn Schultze heraus: „Oh Sch…, dann bin ich wieder der Letzte, der sich eingewählt hat“. Ich beruhigte ihn und sagte, „ja, aber wir sind trotzdem sogar noch ein, zwei Minuten vor der Zeit und dem eigentlich offiziellen Beginn“. Seine anschließende Äußerung erklärt mir dann, warum sich – jedenfalls in diesem Projekt – so schnell eine Disziplin in Bezug auf pünktliche Einwahl und Teilnahme an der Telefonkonferenz eingestellt hatte, die mir gar nicht bewusst gewesen war. Als neuer Verantwortlicher wollte keiner der Projekt- und Teilprojektleiter bei mir in schlechtem Licht erscheinen und durch die namentliche Begrüßung des letzten eingewählten Teilnehmers (die ich ja mehr oder weniger aus Höflichkeit und Eigennutz machte), fühlte sich der – am Anfang der Telefonkonferenzserie zu spät kommende – Teilnehmer in ein schlechtes Licht gerückt. Um dies zu vermeiden, wählte er sich unter allen Umständen beim nächsten Mal pünktlich(er) ein, um dieser Begrüßung zu entgehen. Und das setzte sich im ganzen Team fort.

So half mir meine Höflichkeit (mit der namentlichen Begrüßung des sich zuletzt einwählenden Teilnehmers) als eine Tugend in diesem Kontext eine andere Tugend, die Pünktlichkeit, einzuführen und fruchtlose Wartezeiten zu reduzieren beziehungsweise zu vermeiden. Übrigens gilt der Pünktlichkeitsanspruch für mich nicht „auch für Führungskräfte“, sondern insbesondere für Führungskräfte, die oftmals ganze Meetingrunden auf sich warten lassen und damit oftmals unnötig nicht geringe Kosten entstehen lassen.

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